Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Hubert Grimming, Oberkirch

Bericht: Single Seminar 2025

Zeit14.–16.3.
OrtSchön­statt­zentrum Marienfried
ThemaIch bin mir selbst ein guter Freund
ReferentFalk Immenroth
BerichtBirgit Klein, Boris Bayer und Martina Herbold
BilderN.N.

Freitag

Nach und nach trudelten sie ein, die bekannten und noch unbekannten Weg­gefähr­tinnen und Weg­gefährten sowie unser Referent Falk Immenroth. Manch einer kannte das Haus noch nicht und war zwar ständig auf der Suche nach irgendwas, aber begeistert.

Um 18 Uhr waren dann glücklich alle im Speisesaal versammelt. Wir genossen das Abendessen und beschnupperten uns gegenseitig.

Anschließend ging es in den Seminarraum, wo wir nach kurzer Begrüßung durch die Seminarleitung und den Referenten sowie einem lustigen Aufwärmspiel gleich voll durchstarteten. In Kleingruppen arbeiteten wir heraus, was wir an Erwartungen, Befürchtungen und Fragen zu diesem Seminarwochenende mitgebracht hatten.

Samstag

Nach Klärung der Formalien (Kaffeepausen und Mittagessen), dem kurzen Blitzlicht mit viel Lob für das Seminarhaus und einer kleinen Aufwärmrunde, um sich positiv in den Tag einzuschwingen, begann der zweite Seminartag mit der Auswertung der am Vorabend ausgearbeiteten Punkte.

Befürchtungen

  • Befürchtungen bezogen sich auf unangenehme und negative Gefühle, die im Verlauf des Seminars hochkommen können.
  • Diese aber zuzulassen, sei eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit an sich selbst. Negative Gefühle stoßen eine Veränderung an. Sie zeigen etwas auf, mit dem wir uns näher beschäftigen müssen.
  • So könne man sich bewusst seinen eigenen Ängsten aussetzen und diese dadurch im besten Fall überwinden. Falk erzählte uns das Beispiel des deutschen Dichters Jean-Paul (1763-1825), der sich von seinen Freunden an einen Stuhl fesseln und an einen Abgrund stellen ließ und der auf diese Weise seine Höhenangst überwinden konnte.
  • Diese Art, sich mit seinen Ängsten zu konfrontieren, wird man allerdings an den gesell­schaftlichen Rahmen, in dem man sich bewegt, anpassen müssen.
  • Erwartungen

  • “Allein, aber nicht einsam”. So hat eine Gruppe ihre Erwartung an das Seminar formuliert. Ob ich das Gefühl habe, einsam zu sein oder nicht, ist nicht davon abhängig, ob ich allein bin oder nicht. (“Zu zweit einsam” oder “Mittendrin und doch allein (einsam)” illustrieren diese Erfahrung)
  • Allein heißt für sich sein. Das ist erst einmal neutral und viele von uns haben diesen Zustand auch schon als etwas Positives erlebt. Um ein als unangenehm empfundenes Alleinsein allerdings in einen positiven Zustand zu verändern, müssen wir aktiv werden. Schaffen wir das nicht, “fällt uns die Decke auf den Kopf”, haben wir das Gefühl “nicht am richtigen Ort zu sein”, dann festigt sich ein Gefühl der Einsamkeit, welches, hält es lange genug an, zu einer Depression führen kann.
  • Das Single-Leben anzunehmen war ein weiterer Beitrag aus einer Gruppe. Um aus der Einsamkeit herauszukommen und auch im Alleinsein ein positives Leben zu führen, ist es hilfreich zu sehen, dass das Leben immer gerade jetzt beginnt. Das Leben ist immer eine Entscheidung, ist immer ein “entweder…oder”. Und es ist unmöglich zu sagen, wo die Fülle an Entscheidungen, die man in seinem Leben trifft, einem am Ende hinführen wird. Deshalb sollten wir aufhören, von positiven und negativen Entscheidungen zu reden. (“Umwege erhöhen die Ortskenntnis” [Anmerkung des Schreibers])
  • Allerdings gehört zu so einer Entscheidung für das Leben, dass man sie aus einer Position der Selbstakzeptanz heraus trifft. Dass man sich aus einer oft zur Gewohnheit gewordenen “Maske der schlechten Laune” befreit und sein eigenes Lachen wiederfindet.
  • Nun kam Falk auf das eigentliche Thema des Seminars zu sprechen und fragte mal in die Runde, was wir uns eigentlich von einem besten Freund erwarten würden:

  • Zuhören können
  • Emphatisch sein
  • Anteil nehmen
  • Zeit haben und sich Zeit nehmen
  • Kritik (zu sagen, was positiv ist und was dem Positiven noch im Wege steht) üben können
  • Verständnis haben
  • Zuversicht zeigen
  • bei ihm kann man sich fallen lassen
  • zeigt Interesse
  • Liebe
  • Ehrlichkeit
  • Was heißt das denn, wenn wir uns selbst unser bester Freund sein wollen?

    Zeit haben und sich Zeit nehmen:

  • die Zeit, die einem bleibt, abzüglich der Verpflichtungen, in denen man steckt, bewusst für sich selbst nutzen
  • Neues für sich ausprobieren
  • Kritik

  • Sich seiner eigenen Stärken bewusst zu werden und überlegen, wie man darin noch besser werden kann
  • Ehrlichkeit

  • Zu seinen eigenen Schwächen und Stärken stehen.
  • “Alles, was du sagst, sollte wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, solltest du sagen”
  • Alle diese Eigenschaften, die wir lernen sollten, in uns zu verankern, bauen darauf auf, dass unser “Ich” ein geschützter Bereich ist. In vielen Wortmeldungen aus der Gruppe wurde thematisiert, dass es dafür unabdingbar ist, seine eigenen Grenzen zu kennen und anderen Menschen Grenzen zu setzen.

  • Grenzen als Schutz, um deinen Freiraum zu gewährleisten
  • Grenzen als Testgelände: Du kannst sie peu à peu verschieben und dich im Leben auf diese Art immer wieder ein wenig neu ausrichten
  • Grenzen setzen bezieht sich auf die körperliche Nähe, die ich zulassen will, aber auch auf “sprachliche Übergriffe”: Bitten, Befehle, Drohungen etc.
  • Im Verlauf der Gruppendiskussion wurde klar, dass wir alle eher auf unsere Schwächen schauen, anstatt uns unserer Stärken bewusst zu werden. Das ist schon ein richtiger Automatismus geworden, dem man deshalb gezielt entgegenarbeiten muss. Das Gegenprogramm heißt:

    Wir müssen die Selbstliebe in uns zum Blühen bringen.

    Andere Worte für Selbstliebe:

  • Selbststrahl
  • Herzglanz
  • Liebeslicht
  • Seelenfreund
  • Ego-Engel
  • Was gehört zur Selbstliebe:

  • Positives Wahrnehmen
  • Me-Time (Mehr Zeit für mich)
  • Sich verzeihen / verstehen / Verständnis
  • Stolz auf sich sein
  • Selbst­wert­gefühl
  • Mitgefühl für sich selbst
  • Würde / Selbst­bewusst­sein
  • Sich seiner Stärken bewusst sein
  • Achtsamkeit
  • Sich Grenzen setzen
  • Die Selbstliebe beachtet man zu wenig:

  • Der Satz “Liebe deinen Nächsten wie dich selbst”, der als Anleitung für die Nächstenliebe verstanden wird, liest sich, stellt man ihn um, so: “Liebe dich wie (im Sinne von “und”) deinen Nächsten”. So wird die Selbstliebe in den Fokus gerückt
  • Der Liebestank:

  • Wir haben alle eine gewisse Menge an Liebe in uns. In unserer Situation als Single fließt allerdings viel Liebe ab und es kommt nicht genug nach, um den Tank wieder aufzufüllen.
  • Wir müssen bestimmte Techniken anwenden, um uns selbst wieder aufzufüllen:
  • Körperliche Berührungen (30 Sekunden am Tag)
  • Uns selbst loben für gute Arbeit: „Das habe ich so richtig gut gemacht!“
  • Die Zahnbürste des Lachens: nimm deine Zahnbürste morgens quer in den Mund und beiß darauf! Die Anspannung der Mundwinkel sind dieselben wie beim Lächeln oder Lachen und du spürst einen ähnlichen Effekt.
  • Lade dich selbst ganz bewusst zu etwas Schönem ein: zu Kaffee und Kuchen ins Café, zu einem Theaterbesuch, zu einem Konzert, reserviere einen Tisch für dich im Restaurant, lade dich in die Sauna ein und lass dich massieren etc.
  • Falk hat die von uns erarbeiteten Punkte so zusammengefasst:

  • Selbstakzeptanz
  • positive Affirmationen (Sich selbst auf die Schulter klopfen, sich im Spiegel loben, sich selbst laut loben)
  • Diese Techniken führen zu einer Veränderung, aber wir brauchen Geduld und wir müssen sie immer wieder anwenden.

  • Selbstfürsorge (hier ist das Thema Grenzen ganz wichtig)
  • Reflexion (über das, was Positives über den Tag hinweg passiert ist)
  • Mit wem umgebe ich mich?
  • Ich kann mir meine Familie nicht aussuchen, wohl aber meinen Freundeskreis. Wir sollten uns mit Freunden umgeben, die positiv auf uns wirken

  • Selbstliebe
  • Wenn ich mich selbst liebe, dann werde ich mich auch mit meinen Fehlern lieben.

    Wenn ich Fehler mache, werde ich sagen “Hurra, endlich kann ich wieder etwas an mir ändern".

  • Professionelle Hilfe (falls alle o.g. Techniken nicht ausreichen, um sich aus dem Sumpf zu ziehen)
  • Wichtig ist es, sich von dem Stigma zu befreien, mit dem die Gesell­schaft Suchtkranke belegt. All diese negativen Zuordnungen sind dazu geeignet, einem das Selbst­wert­gefühl unter den Füßen wegzuziehen.

    Wir sind kein “gesellschaftlicher Makel”, sondern stehen unsere Frau / unseren Mann im Leben.

    Nach getaner Arbeit kam die Erholungsphase. Wie immer ein gutes und reichhaltiges Abendessen, danach saßen wir noch lange gemütlich im Foyer zusammen und unterhielten uns angeregt. Eine kleine Gruppe unternahm einen ausgiebigen Nachtspaziergang durch die Weinberge und kam ausgelassen und entspannt zurück.

    Sonntag

    Der Sonntagmorgen ist da. Nach dem tollen und vielfältigen Frühstück treffen wir uns wieder um 9 Uhr im Seminarraum und werden mit Musik empfangen ein Lied mit dem Text „Ich bin dabei, du bist dabei“. Guten Morgen an 14 Menschen, die der Reihe nach berichten, wie für sie die Nacht war. Durch die unter­schied­lichsten Schlafrhythmen kommen wir auf das Thema Schlaf und Träume. Viele wussten bis dato nicht, dass unter jeglichem Konsum gar kein Träumen einsetzt, somit eine wertvolle Verarbeitung gar nicht stattfinden kann und dadurch Traumata begünstigt werden. Selbst ein Alptraum ist sinnvoller und wichtiger als gar keine Verarbeitung des Erlebten.

    Wir erfahren, dass es nicht schlimm ist, wenn man öfters wach liegt, weil man ohnehin 50–60-mal in der Nacht für Sekunden wach ist, ohne es überhaupt zu bemerken. Dass zur körperlichen Regeneration lediglich wenige Stunden ausreichen, man sich auch nie zum Schlafen zwingen sollte. Am Tag auftanken kann man mit einem powernap, wie es so nett auf Neudeutsch heißt. Powernap bedeutet: Augen zu für nicht länger als 10-20 Minuten, da sonst der Tiefschlaf einsetzt, der zur Schlafträgheit führen kann.

    Nach einem ausgiebigen Reflektionsgespräch zum bisherigen Verlauf des Seminars wird endlich der von den Teilnehmern mehrfach geäußerte Wunsch erfüllt: wir dürfen raus in die Weinberge zum Bogenschießen! Unser Referent Falk Immenroth ist zertifizierter Trainer für therapeutisches Bogenschießen und – wie es der Zufall so will - hat er seine Ausrüstung natürlich dabei. Draußen wird dann aufgebaut. Es ist bewölkt, wunderschöne Natur und es regnet nicht. Wir bekommen Pfeil und Bogen, Falk gibt eine kurze Erklärung, danach dürfen wir ran.

    Das Fazit für unser Leben aus dem Einblick in diesen Sport: einen festen Stand haben.

    Einatmen beim Bogen hochnehmen, ausatmen beim Ziehen der Sehne nach hinten zum Gesicht seitlich an unser Kinn, welches der Anker ist, und ohne Zielen einfach loslassen, innehalten und nachfühlen. Ähnlich einer kleinen Meditation.

    Wir waren eine exzellente und coole Gruppe, haben viel gelacht und unsere Pausen mit Absprache sehr angenehm eingeteilt. Besonders wertvoll waren die Gespräche, die wir am Rande dieses gut gelungenen Seminars in kleinen Gruppen miteinander führten.

    Der Mensch kann sich ändern, bis er stirbt, jeden Tag, das gibt Hoffnung.

    Vielen Dank für dieses Wochenende.